Archiv: Die Verwandlung

nach Franz Kafka

 

Produktion des THEATERS OHNE FURCHT UND TADEL, Wien

Leitung: Sonja Graf und Markus Hummel

Mit: Sonja Graf, Markus Hummel, Robert Stuc

Österreichisches Pharma- und Drogistenmuseum, Wien, März 2014

 

„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen …“

 

Zwischen Wachen und Träumen dämmert dem unglückseligen Handelsreisenden Gregor Samsa, dass er an diesem trübseligen Morgen nicht nur tatsächlich verschlafen hat, sondern dass er aufgrund seiner phantastischen Verwandlung gar nicht mehr zur Arbeit wird gehen können. Kaum hat er diesen Gedanken gefasst, dringt es auch schon von allen Seiten auf ihn ein und ruft ihn zur Pflicht, die Familie, die er ernährt, fordert ihn sanft und klagend (die Schwester), herrisch und aggressiv (der Vater), dazu auf, die Türe zu öffnen und dem alltäglichen, Gregor verhassten Dienst nachzugehen. Unterstützung erhalten sie von Gregors Vorgesetztem, dem Prokuristen der Firma, bei der sie verschuldet sind. Doch so peinlich dem Handelsreisenden sein persönliches Versagen ist, kann er - seit der unruhigen Nacht ein Käfer - seinen Verpflichtungen beim besten Willen nicht mehr nachkommen. Die Familie wird sich an Gregors Zustand gewöhnen und schließlich für ihr Fortkommen selber sorgen müssen. Ist die Anhänglichkeit wie auch das Entsetzen gerade der Schwester zunächst noch sehr groß, distanzieren sich die Angehörigen Samsas immer stärker von ihm, je mehr er seinem seltsamen Zustand verfällt: dem Bedürfnis an der Decke zu hängen, faulige Speise zu kosten, mit einem hässlichen unverständlichen Piepsen auf familiäre Fragen zu antworten oder sich unwiderstehlich zum Geigenspiel der Schwester hingezogen zu fühlen - selbst auf die Gefahr hin, das Dienstpersonal und die neuen Zimmerherren zu vergraulen, deren Mietzahlungen man dringend benötigt. Und da sich Gregor unberechenbarer Weise nicht an alle Regeln der Familie hält und manchmal geradezu taktlos in seinem Zimmer unter dem Sofa hervorkriecht, wenn er etwas durchsetzen will oder ihn die Wut überkommt, wird er allmählich zum Problem…           

 

Das Theater ohne Furcht und Tadel nimmt Franz Kafkas (1883 – 1924) wohl bekannteste Schöpfung unter die Lupe und folgt Gregor Samsa in seine phantastische, absurde  Wirklichkeit, die der Autor mit teils melancholischen, teils ironischen, aber auch mit bitteren Untertönen zeichnet. Kafkas alptraumhafte, expressionistische Prosastücke, Fragmente und Gedankenspiele wurden zu seinen Lebzeiten auf seinen eigenen Wunsch hin nur teilweise veröffentlicht. Sie nehmen jedoch in ihrer metaphysischen und psychologischen Dimension die komplexe Entwicklung des 20. Jahrhunderts vorweg - und sie behaupten sich aufgrund ihrer sprachlichen Dichte, ihrer Phantastik und ihres Einfallsreichtums bis heute.