Archiv: Zeichen und Wunder

nach Ramón del Valle-Inclán

 

Spiel & Leitung: Sonja Graf und Markus Hummel

Am Fagott: Matthias Löffelmann

Am Cello: Benno Theuersbacher

Amphitheater im Englischen Garten, Sept. 2008/ THEATER HALLE 7, Okt. 2008

 

Juana la Reina, eine alte Bettlerin, wird auf der Landstraße vom Tod geholt. Sie hinterlässt  ihrer Schwester und ihrem Bruder einzig ein verwachsenes, hilfsbedürftiges Zwergenkind mit einem riesigen Wasserkopf und stiftet damit Unfrieden in ihrem kleinen Heimatdorf. Denn sowohl ihr Bruder, der Küster des Ortes - ins Spezielle seine Frau - als auch die Schwester der Verblichenen  erheben Anspruch auf die kuriose Hinterlassenschaft, verspricht diese doch mehr Bereicherung als finanzielle Belastung. Ein verbitterter Erbstreit um das Zwergenkind entflammt ohne Sinn und Verstand, der nur beigelegt werden kann, da man beschließt, das Erbe salomonisch zu teilen: das Sorgerecht erhält drei Tage die Woche die eine Partei, die restlichen drei Tage die andere, an den Sonntagen wechselt man sich ab. Doch da erst beginnt, was niemand vermutet hätte: die Frau des Küsters, noch jung und lebhaft, wittert das süße Leben, weit mehr noch den Duft der Freiheit, sie spannt sich vor den Karren und zieht damit, das Kind im Schweinetrog, über die spanische Landstraße von einer Kirmes zur anderen, stellt ihren Neffen als Kuriosum zur Schau und vergisst die Vereinbarung wie die Ihrigen daheim. Die Schwägerin im Dorf erhebt bittere Klage gegen die Treulose, der Küster wetzt im Suff bereits die Messer gegen die eigene Frau, indes diese sich mit Gauklern und anderem dubiosen Gelichter ganz öffentlich vergnügt. Der Spaß erfährt jedoch ein jähes Ende, als ein zwielichtiges Subjekt der unterhaltsamen Erbschaft, nämlich dem Zwerg, zuviel Schnaps einflößt und der daran stirbt.Die Frau des Küsters spannt sich erneut vor den Karren und zieht nun, mangels einer lukrativen Einnahmequelle, mit dem Leichnam nach Hause, dort erwarten sie Zeter und Mordio...

 

Ramón del Valle-Inclán (1866 - 1936) gilt als exzentrischer, aber auch als interessantester und originellster Vertreter des Modernismus. Er selbst bezeichnete seine Stücke als "Zerrspiegelstücke" und Spanien als "groteske Deformierung der europäischen Zivilisation". Der Herr im Himmel, obwohl sooft zitiert, scheint abwesend in seinen Stücken, der Teufel, der Anisschnaps und die Freiheit treiben ihr Unwesen auf Gottes weiter Flur. Mit seinem Stück Divinas palabras schuf Valle-Inclán ein kraftvolles und urtümliches Bild der Menschen auf dem spanischen Dorf, das trotz der beschriebenen Armut, der Brutalität der Geschichte und der - oft abgründigen - Verkommenheit der Charaktere einer gewissen ursprünglichen, fast kindlichen Fröhlichkeit nicht entbehrt. Ihre Stimme klingt aus dem Rauschen der Maisfelder, dem Wispern der Zitronenbäume und dem klaren Funkeln der Sternennacht.